- Metallzeit: Kupfer, Bronze, Eisen
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Verblüfft oder sogar erschrocken mochte die vor 9 000 Jahren um ein Holzfeuer irgendwo im Vorderen Orient sitzende Menschengruppe gewesen sein, als man in der Asche kleine, metallisch glänzende Tropfen fand. Ein paar Stunden vorher hatten an dieser Stelle noch grüne und blaue Schmucksteine gelegen, die durch Absicht oder ein Missgeschick - dies muss für uns offen bleiben - ins Feuer geraten waren und bei denen es sich, was die Menschen noch nicht wussten, um die Kupfererze Malachit und Azurit handelte.Ex oriente lux - Ursprung im OrientDie Metamorphose vom Gestein zu einem neuen, glänzenden und leicht verformbaren Rohstoff, dem Metall, in diesem Fall dem Kupfer, blieb in ihren chemischen Zusammenhängen und Abläufen über Jahrtausende hinweg unerklärlich und geheimnisvoll. Angebrochen war jedenfalls ein neues Zeitalter, das Metallzeitalter, das seit nunmehr mindestens 8 000 Jahren andauert; mindestens deshalb, weil die bisher frühesten Nachweise einer in ihren Abläufen gesteuerten Kupfergewinnung aus der Zeit um 6000 v. Chr. stammen (Çatal Hüyük, Türkei; Yarim Tepe, Irak), zu diesem Zeitpunkt bereits aber in Mesopotamien, Anatolien und Südosteuropa kleine Schmuckstücke aus Kupfererz oder auch aus gediegenem Kupfer seit langem bekannt waren; mit einiger Sicherheit stand in diesen Regionen die Wiege der eurasischen Metallurgie. Alle Funde zeigen, dass man über lange Zeiträume hinweg mit den neuen Werkstoffen experimentierte und nur sehr langsam materialgerechte Technologien entwickelte. Von einer entwickelten Metallurgie mit einer systematischen Erzgewinnnung und -verarbeitung war man zunächst noch weit entfernt. Gleichwohl wurden bereits ab etwa 4000 v. Chr. einzelne Metallobjekte oder Halbfertigprodukte gehandelt, sogar bis ins südliche Mitteleuropa, wo man 1985 in der jungsteinzeitlichen Ufersiedlung Hornstaad am Bodensee eine Kupferscheibe fand, die sicher in die Zeit um 4000 v. Chr. fällt und ursprünglich aus Ost- oder Südosteuropa stammt.Auch in unseren Breitengraden folgte einem ersten Kontakt mit dem neuen Material und einer Initialphase, begünstigt durch einen wahrscheinlichen Technologietransfer aus dem Südosten nach Mitteleuropa, schließlich die Vervollkommnung der Techniken gemäß den örtlichen Gegebenheiten. Dies gilt für das Kupfer ebenso wie für das Eisen, das ab etwa 4800 v. Chr. im Orient genutzt und um 1350 v. Chr. nördlich der Alpen bekannt wurde. Es war daher ein geographisch und chronologisch langer Weg von der »Entdeckung« des Kupfers in der Asche des Holzfeuers, das vor 9 000 Jahren irgendwo im Vorderen Orient brannte, über die Entwicklung der Zinnbronze, aus der in Mittel- und Nordeuropa vor 3 500 Jahren in großen Mengen Waffen, Schmuck und Werkzeuge gegossen wurden, bis zur Produktion von Waffen und sonstigen Gütern des täglichen Bedarfs aus Eisenerzen ab etwa 700 v. Chr. Dieser Weg war geprägt von technologischen Neuerungen, von soziokulturellen, ökonomischen und ökologischen Veränderungen, die bis in die Moderne nachwirken.Erste Bergbaugebiete, aufwendige TechnikenDie metallischen Elemente Kupfer (Cu), Zinn (Sn) und Eisen (Fe) sind nur mit sehr geringen Anteilen am Aufbau der Erdkruste beteiligt. Obwohl es in der Natur gelegentlich kleine Vorkommen mit reinen Metallen gibt, war und ist der Mensch darauf angewiesen, Plätze zu finden, die metallhaltige Minerale in größeren Mengen und in zugänglicher Lage aufweisen. An diesen Stellen begann der Bergbau, zunächst oberflächennah, dann auch unter Tage. Immerhin 8 m breite, 100 m lange und bis 20 m tiefe Abbauspuren, die in die 2. Hälfte des 5. Jahrtausends v. Chr. datieren, sind im bulgarischen Aibunar nachgewiesen.Der Abbau des Erzes ist aber nur ein erster Schritt im Produktionsablauf vom Gestein zum metallischen Endprodukt. Alle Bemühungen des Menschen, aus solchen Lagerstätten das Erz abzubauen, aufzubereiten, zu verhütten und zu reinigen, lassen sich unter dem Begriff der Anreicherung zusammenfassen. Die hochwertigen, aber seltenen Erze Malachit und Azurit enthalten lediglich 50 bis 60 % Kupfer; man kann sie schleifen, polieren oder durchbohren, aber nicht schmelzen oder gießen. Erst wenn die übrigen Elemente durch mechanische, physikalische und chemische Vorgänge entfernt sind (Anreicherung) und das Kupfer, das im Erz nur in oxidierter, karbonatischer oder sulfidischer Form vorliegt, reduziert ist, kann es geschmolzen, gegossen und auch mit anderen Metallen legiert werden. Für die Verhüttung von Malachit genügt eine Temperatur von 800-1 000 ºC, die in fast jedem Lagerfeuer zu erreichen ist, für die Verarbeitung von Kupferkies und die Gewinnung von Eisen sind aber mindestens 1 200 ºC über viele Stunden hinweg notwendig.Der Arbeits- und Materialaufwand für die Erzverhüttung war immens. Immerhin aber lässt sich abschätzen, dass in Aibunar aus einem Fördervolumen von bis zu 30 000 t Gestein bis zu 3 000 t Kupfererz gewonnen und daraus rund 500 bis 1 000 t Kupfer produziert werden konnten. Mit einer Jahresproduktion von etwa 10 t Kupfer hat das Bergwerk im österreichischen Mitterberg während der Bronzezeit vermutlich den Gesamtbedarf in Mitteleuropa abgedeckt. Für Eisen lassen sich aufgrund archäologischer Ausgrabungen in Polen ähnliche Modellrechnungen für die Zeit zwischen 100 v. Chr. bis 400 n. Chr. aufstellen. Im Heiligkreuzgebirge hat man zahlreiche Verhüttungszentren mit jeweils über 100 Rennöfen zur Gewinnung von schmiedbarem Eisen nachgewiesen. Jedes dieser Zentren hat nach Schätzungen etwa 19 t Erz und über 20 t Holzkohle verbraucht und dabei fast 2 t Eisen produziert; die Öfen konnten nur einmal benutzt werden und waren am Ende eines Verhüttungsprozesses irreparabel verschlackt. Aus der Anzahl der bekannten Eisenzentren dieser Zeit im Heiligkreuzgebirge hat man eine Gesamtproduktion zwischen 3 800 und 5 400 t Eisen, also rund 11 t pro Jahr abgeleitet.Metall als Katalysator für die Veränderung der WeltDa die Produktion von Metall außerordentlich aufwendig war, rentierte sie sich nur, wenn sie mit gut organisiertem Handel in großem Stil verbunden war. Als Vorbedingung für die Nutzung von Metallen gilt aber, dass eine Gesellschaft bereits in einem solch hohen Maße strukturiert sein musste, damit ein Bedarf an Metallwaren überhaupt entstehen konnte. Bezeichnenderweise haben reine Jäger-und-Sammler-Kulturen mit einer egalitären Gesellschaftsstruktur fast nie die reichen Erzvorkommen in ihrem Umfeld genutzt. Erst die Sesshaftwerdung des Menschen im Verlaufe der neolithischen Revolution mit der Entstehung dauerhafter Siedlungen und dem Aufkommen der für die Jungsteinzeit kennzeichnenden Wirtschaftsform der Landwirtschaft hatten eine hierarchisch gegliederte Sozialstruktur zur Folge. Neolithische Gesellschaften entwickelten daher schnell einen Bedarf an Prestigegütern und Machtsymbolen, wofür Metallobjekte bestens geeignet waren.Metall hat aber nicht nur bestehende Hierarchien öffentlich sichtbar gemacht, sondern auch Begehrlichkeiten geweckt und damit neue Märkte und kriegerische Auseinandersetzungen vorbereitet. Unverzichtbar für eine Metall produzierende und verhandelnde Gesellschaft war das Vorhandensein von Spezialisten für die Auffindung der Erzgänge, für den Bergbau und für die Verhüttung der Erze; eventuell bereits in Ansätzen vorhandene Strukturen einer arbeitsteiligen Gesellschaft mussten vertieft und ausgeweitet werden. Um jedoch ein Spezialistentum für die Metallgewinnung in einer Gesellschaft zu begründen und dieses zu tragen, war es notwendig, in der Landwirtschaft überschüssig zu produzieren; schließlich konnte sich der Metallfachmann in einem industriell organisierten Verhüttungsbetrieb der Bronzezeit nicht nebenbei auch noch selbst ernähren. Auf diese Weise trug die Metallurgie ihrerseits massiv zum Wandel der Gesellschaft bei.Dr. Ulrich Zimmermann
Universal-Lexikon. 2012.